Ökostrom und Erdgas: Wie entwickeln sich die Energiepreise?

Seit die Weltwirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, spielen die Energiepreise an den Börsen verrückt. Bei den Verbraucher*innen kommt der Anstieg aktuell mit Verzögerung an.

Globale Energiepreise heizen Inflation an

Drastisch steigende Energiepreise weltweit gelten als Grund für die derzeit höchste Inflationsrate seit Jahrzehnten. Blickt man zurück auf den Sommer 2020, nach Beginn der Corona-Krise, sah das noch ganz anders aus. Als Folge von Lockdown und Pandemie-Maßnahmen fielen die Verbraucherpreise über mehrere Monate sogar leicht. Nicht zu vergessen: In Deutschland galten von Juli 2020 an für sechs Monate niedrigere Mehrwertsteuersätze, um den Konsum wieder anzukurbeln. Deshalb fällt die jetzige Teuerung im Jahresvergleich entsprechend größer aus.

Gaskosten auf Allzeithoch

Beim Gaspreis kam die Kehrtwende bereits im Winter 2020/21 mit der Erholung der Weltwirtschaft. Auf den globalen Märkten wuchs die Nachfrage nach dem Energieträger stärker als das Angebot. Seitdem wird im Gas-Großhandel ein Preisrekord nach dem anderen gebrochen. Im Dezember 2021 kostete die Megawattstunde teilweise über 100 Euro. Zum Vergleich: Am Beginn Pandemie zahlten Gaseinkäufer kurzzeitig nur rund fünf Euro.

Hohe Nachfrage bei knappem Gas-Angebot

Die Preissprünge haben nach Einschätzung vieler Experten mehrere Ursachen: Einerseits hat sich die Energienachfrage in den größten Industrieländern wieder normalisiert. Vor allem Asien, wo die Wirtschaft nach der Corona-Krise deutlich Fahrt aufgenommen hatte, kaufte extrem viel Erdgas ein. Lange, kalte Winter in Europa, Asien und den USA, aber auch Hitzewellen wie in Brasilien ließen den Gasverbrauch ebenfalls rapide steigen. Der erhöhte Bedarf traf auf ein knappes Angebot. In Europa gab es zum Beispiel Lieferausfälle und -verzögerungen bei amerikanischem Flüssiggas, und auch aus den Niederlanden kam weniger Erdgas als gewöhnlich.

Gaspreis an der Börse seit Jahresanfang verdreifacht

Dazu trat ein Sondereffekt ein: Die großen Gasspeicher in Europa waren kurz vor dem Start der neuen Heizsaison noch nicht wieder ganz gefüllt. Nach dem vergleichsweise kalten Winter 2020/21 konnten europäische Energieversorger sich nicht günstig im Großhandel eindecken. Auch immer wieder im Fokus der öffentlichen Diskussion um die Gaspreisentwicklung in Deutschland: die Gaslieferungen aus Russland, die dringend benötigt werden, um die Speicher wieder zu füllen.

 

Die Folge: Die Beschaffungspreise an der Terminbörse, wo Energie­unternehmen sich langfristig mit Erdgas für ihre Kund*innen eindecken, haben sich seit Jahresbeginn 2021 verdreifacht. Die gestiegenen Großhandelspreise kommen mit Verzögerung nun auch bei den Gas-Kund*innen an.

Stromhandel an der Börse: Preise stark gestiegen

Nicht nur Gas, auch beim Strom ziehen die Preise deutlich an. Die Beschaffungskosten, die Energieversorger an der Strombörse zahlen müssen, sind in den vergangenen Monaten ungewöhnlich kräftig gestiegen. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) haben sie sich seit Anfang 2021 verdoppelt, kurzfristig gekaufter Strom ist sogar drei Mal teurer geworden. Die hohen Preise im Gas-Großhandel haben ebenfalls Einfluss auf den Strompreis, da sich die Erzeugung in Gaskraftwerken verteuert. Weil viele Flauten und viel Regen in der ersten Jahreshälfte nur wenig Wind- und Sonnenstrom durch die Leitungen fließen ließ, konnten die preistreibenden Effekte auch durch die sinkenden Kosten der erneuerbaren Energien nicht kompensiert werden.

Strompreis­zusammensetzung in der Kritik

Der Hauptpreistreiber ist nach Einschätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) jedoch nicht die teurer gewordene Erzeugung, sondern die Zusammensetzung des Strompreises: Von 100 Euro Stromrechnung seien mehr als 50 Euro staatlich verursacht. Zwischen 2010 und 2020 sei Belastung für Stromkund*innen durch Steuern, Abgaben und Umlagen um rund 70 Prozent gestiegen.

 

Neben den hohen Marktpreisen wirkt sich auch der steigende CO2-Preis auf die Stromrechnung aus. Dieser wird nicht nur auf die anfallenden Kohlen­dioxid-Emissionen beim Autofahren und im privaten Heizkeller erhoben, sondern auch bei der Verstromung von Kohle und Erdgas in Kraftwerken.

Auch Ökostrom kostet 2022 mehr

Energiewende

Leider kein Widerspruch: Auch zertifizierter Ökostrom, der komplett CO2-frei erzeugt wird, verteuert sich durch die steigenden CO2-Preise. Da es noch immer die fossilen Großkraftwerke sind, deren Kostenstruktur die Preise am Terminmarkt der Strombörse bestimmt, steigen auch hier die Einkaufspreise, wenn das CO2 teurer wird. Deshalb fordern Experten und Klimaschützer den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Der ist wichtig zum Erreichen der Klimaziele und hilft, den Strompreis nachhaltig zu senken.

 

Kein zusätzlicher Preistreiber mehr ist jedoch die EEG-Umlage, mit der Erneuerbare-Energien-Anlagen finanziert werden. Für die Jahre 2021 und 2022 wurde die EEG-Umlage gedeckelt. Dies war eine der beschlossenen Konjunkturmaßnahmen der großen Koalition von Juni 2020.

Auswirkung auf den Energievertrieb

Unternehmen, die wie WESTFALICA eine sogenannte strukturierte Beschaffung beim Energieeinkauf durchführen, verfolgen täglich die Marktentwicklung. Strom und Gas werden in einem Mix aus längerfristig festgelegten und kurzfristig verfügbaren Mengen eingekauft. Das ist eine sichere und flexible Beschaffungspraxis, die Erfahrungswerte einbezieht. Gleichwohl ist eine deutliche Abhängigkeit von der Entwicklung am Großhandelsmarkt gegeben – und diese Entwicklung ist seit einigen Monaten aus den Fugen geraten.

Die gute Nachricht: Aufgrund der vorausschauenden Beschaffungs- und Kalkulationspraxis ist die Versorgung mit Gas und Strom für die Bestandskunden gesichert.
Auch Haushalte im WESTFALICA-Grundversorgungsgebiet, deren Versorger nicht mehr lieferfähig sind, erhalten über einen unserer Grundversorgungstarife als Neukunden eine durchgehende Belieferung.

 

Die Marktentwicklung hat aber auch Konsequenzen für alle, die einen neuen Energieanbieter suchen: „Bei diesen Preissprüngen auf der Einkaufsseite können wir keine seriösen Energieliefer-Angebote machen. Daher haben wir unsere Online-Bestellstrecken bereits einmal im Oktober und seit Mitte Dezember erneut deaktiviert. Auch in den Kundenbüros sind leider derzeit keine Vertragsabschlüsse möglich. Sobald wir Interessenten wieder verlässliche, gute Konditionen bieten können, tun wir das“, erläutert Maik Stockmann, Vertriebsleiter Privatkunden.

CO2-Preis lässt Gaskosten bis 2025 steigen

Nach den Börsenpreisen hat auch der CO2-Preis Einfluss auf die Heizkostenentwicklung. Er ist Bestandteil des Klimapakets der Bundesregierung und im Januar 2021 bei 25 Euro je Tonne Kohlendioxid (CO2) gestartet. Danach steigt er schrittweise auf 55 Euro im Jahr 2025 an. Der CO2-Preis soll Haushalte und Betriebe motivieren, Energie einzusparen und auf klimaschonende Technologien umzusteigen. Wie hoch die Mehrkosten ausfallen, hängt allerdings auch davon ab, wie viel Treibhausgase durch den jeweiligen Energieträger ausgestoßen werden.

CO2-Preis lässt Gaskosten bis 2025 steigen

Um zu berechnen, wie stark ihre Heizkosten durch den CO2-Preis steigen, können Verbraucher*innen zum Beispiel den kostenlosen, interaktiven Rechner der Verbraucherzentrale nutzen.

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