Wie steht’s um unseren Wald? Ein Spaziergang durch den Teutoburger Wald

Es ist früh am Morgen, die Sonne ist gerade auf­ge­gangen. Ich treffe mich mit dem Förster Holger-Karsten Raguse an dem Wander­parkplatz „Peter auf dem Berge“. Von hier aus gehen wir schnur­stracks den Weg entlang, der vor uns liegt, immer tiefer in den Wald. Anfangs ist es noch hell, der Baum­bestand nicht so dicht. Je länger wir laufen, desto dunkler und kühler wird es. Die rie­sigen Buchen um uns herum lassen kaum Licht hindurch. Der Regen der letzten Tage ist noch deutlich wahr­nehmbar. Es riecht nach feuchtem Wald­boden. Holger-Karsten Raguse bleibt stehen und verstummt. Er schaut nach rechts, dann nach links. Danach wandert sein Blick nach oben, an­schließend nach unten. Ich sehe, wie er sich Zeit nimmt, jedes Detail betrachtet. Fast bedächtig geht er Schritt für Schritt weiter.

 

Es macht den Ein­druck, dass er erst einmal an­kommen und Kontakt mit seinem Wald auf­nehmen musste. Erst nach einigen Minuten beginnt er zu erzählen und zeigt, worauf es in einem gesunden Wald ankommt: „Ich schaue mir an, wie die Baum­kronen aussehen. Bei einem gesunden Laub­wald gelangt kaum Licht bis zum Boden. Das Blätter­dach ist sehr dicht. Und so soll es auch sein. Gesunde Bäume haben eine dichte, satte Krone. Die jungen Äste wachsen ent­sprechend nach und verdichten sie. Der Stamm hat eine intakte Rinde, die Wurzeln sind nicht zu sehen. Das sind die ersten An­zeichen, dass der Baum gesund ist.“

Erlebnisort Wald

 

 

„Wir können mit unserer Arbeit doch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn wir CO2-neutrales Material wie Holz bereitstellen.“

Förster Holger-Karsten Raguse

Holger-Karsten Raguse ist seit gut 30 Jahren als Förster in Ostwestfalen-Lippe tätig. Inzwischen leitet er das Regional­forstamt. Für ihn ist ein Wald nicht einfach nur ein schöner Ort in der Natur, Lebens­raum für un­zählige Pflanzen und Tier­arten, sondern auch ein Wirtschafts­faktor. Dabei sind auch unter­schiedliche Inter­essen zu berück­sichtigen. Der Wald­anteil in Ost­westfalen-Lippe liegt bei gut 20 Prozent und damit etwas unter dem Durch­schnitt in NRW. Die Gebiete gehören zum Teil dem Land, den Kommunen und Städten, über­wiegend aber vielen privaten Eigen­tümern. „Ungefähr 15.000 Wald­besitzende sind es allein in meinem Zu­ständigkeits­bereich“, erklärt Raguse. Die meisten von ihnen haben sich in Gemein­schaften zusammen­geschlossen, um den Wald professioneller bewirt­schaften zu können.

„Die Aufgaben und Interessen von Förstern und Waldbesitzenden decken sich weitgehend: Wir alle wollen Waldflächen angemessen und nachhaltig bewirtschaften. Dabei ist der Wald sowohl ein Natur- und Erlebnisort als auch die Grundlage für eine saubere Waldwirtschaft“, sagt der Förster. Holz ist schließlich auch ein nachhaltiger Energieträger und Baustoff.

Wir gehen weiter, folgen einer Biegung. Plötz­lich zeigt der vorher dichte, dunkle und feuchte Laub­wald ein ganz anderes Gesicht: Einige wenige kahle Stämme stehen noch, ansonsten gleicht die Fläche eher einer Lichtung als einem Wald. Mein Auge sucht verge­bens nach grünen Stellen. Die entdecke ich erst, als ich den Blick Richtung Boden senke. Zwischen einigen Stämmen entfaltet sich neues Leben: Farne wachsen, kleine Bäume sind zu erkennen. Wir befinden uns an einer Stelle, an der die Förster neues ausprobieren. Das ist zwingend notwendig, denn die Klima­veränderungen haben dem Wald schwer zugesetzt.

 

Folgen der Klimaveränderungen

Geschädigter Wald

„Der Wald hält schon eine Menge aus. Doch man auch ehrlich bleiben: Sein Zustand hat sich weiter verschlechtert. Nur noch 30 Prozent unserer Bäume sind gesund, der Rest befindet sich in einem bedenklichen oder kritisch bedenklichen Zustand“, erläutert der Förster. Das belegt auch der jährliche Wald­zustands­bericht. Die extremen Aus­wirkungen, die wir aktuell sehen, haben ihren Ursprung 2018. Der Winter­sturm Friede­rike hat viele Schäden, vor allem bei den Fichten, verursacht.

 

Es folgten drei Jahre mit extremen Witterungs­verhältnissen: In den Jahren 2018 bis 2020 war es viel zu warm und viel zu trocken. Die Kombination aus an­geschla­genem Wald, geschwächten Fichten und den Witterungs­extremen bietet natürlichen Schäd­lingen ideale Bedingungen. Der Borken­käfer, vor allem die Arten Buch­drucker und Kupfer­stecher, konnten sich explosions­artig ausbreiten. Ein in NRW bislang einmaliges Phänomen. „Der Borkenkäfer frisst sich zwischen Rinde und Holz durch. Und genau das ist die sensibelste Stelle eines Baumes.“

Kleiner Wald-Knigge

Wenn Wald­besucher*innen rücksichts­voll miteinander umgehen, ist es auch für alle ein wunder­bares Erlebnis:

  • Bleiben Sie auf den Wegen.
  • Das gilt auch für Ihre Hunde.
  • Entzünden Sie kein Feuer.
  • Gehen Sie mitRespekt durch den Wald.
  • Sehr laute Geräusche  erschrecken die Wald­bewohner unnötig.

 

Wandern im Teutoburger Wald

„Wir setzen für die Zukunft noch stärker auf Mischwald“

 

 

 

Junge Triebe

Eine Pappel wird etwa 40 bis 50 Jahre alt, Nadel­bäume bis zu 100 Jahre, Buchen bis zu 120 Jahre und Eichen bis zu 180 Jahre. „Wer im und mit dem Wald arbeitet, muss in sehr langen Zeit­räumen denken“, erklärt Holger-Karsten Raguse. „Manche Flächen lassen wir weit­gehend unberührt. Wir warten dann einfach ab, wie sich die Fläche entwickelt. In diesem Fall bleibt auch das Totholz im Wald, denn auch das ist ein wichtiger Lebens­raum.“ Seiner Erfahrung nach passt das, was natürlich wächst auch am ehesten zu dem Stand­ort. „Es sei denn, es setzt sich haupt­sächlich die Fichte durch. Dann greifen wir doch ein.“ Flächen, auf denen vor allem viele Fichten abge­storben sind, forstet Raguse mit seinem Team aktiv wieder auf – vorrangig mit standort­gerechten heimischen Laub­hölzern, aber auch mit Lärche, Douglasie, Weiß- oder Küstentanne.

 

Typisch für die Region Ost­westfalen-Lippe sind Rot­buchen, Richtung Kreis Gütersloh kommen auch die Eichen ins Spiel. Die Förster*innen setzen Ahorn, Kirsche und Linde dazu. Die Kiefer eignet sich ergänzend an Standorten, die nicht so nährstoff­reich sind. Außer­dem passen Lärche und Douglasie. Auch Pappeln, Birken und Erlen seien für den Misch­wald der Zukunft eine gute Wahl. „Je mehr Baum­arten wir setzen, desto besser verteilen wir auch das Risiko. Das ist aktuell die Philo­sophie, mit der wir unsere Wälder hier bewirt­schaften. Ob das der richtige Weg ist, werden erst die nächsten Generationen nach uns beurteilen können“, sagt Raguse. Inzwischen sind wir langsam wieder an unserem Ausgangs­punkt angekommen. Der Spazier­gang war schön, interessant und künftig gehe ich mit einem anderen Blick durch den Wald.

Die Försterinnen und Förster nehmen Sie gern mit zu einer Führung durch den Wald. Alle Angebote, Termine und Veranstaltungen finden Sie im Netz bei Wald und Holz NRW.

Bildquellen

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Bild Hr. Raguse: privat

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