Erlebnisort Wald
„Wir können mit unserer Arbeit doch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn wir CO2-neutrales Material wie Holz bereitstellen.“

Holger-Karsten Raguse ist seit gut 30 Jahren als Förster in Ostwestfalen-Lippe tätig. Inzwischen leitet er das Regionalforstamt. Für ihn ist ein Wald nicht einfach nur ein schöner Ort in der Natur, Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tierarten, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor. Dabei sind auch unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Der Waldanteil in Ostwestfalen-Lippe liegt bei gut 20 Prozent und damit etwas unter dem Durchschnitt in NRW. Die Gebiete gehören zum Teil dem Land, den Kommunen und Städten, überwiegend aber vielen privaten Eigentümern. „Ungefähr 15.000 Waldbesitzende sind es allein in meinem Zuständigkeitsbereich“, erklärt Raguse. Die meisten von ihnen haben sich in Gemeinschaften zusammengeschlossen, um den Wald professioneller bewirtschaften zu können.
„Die Aufgaben und Interessen von Förstern und Waldbesitzenden decken sich weitgehend: Wir alle wollen Waldflächen angemessen und nachhaltig bewirtschaften. Dabei ist der Wald sowohl ein Natur- und Erlebnisort als auch die Grundlage für eine saubere Waldwirtschaft“, sagt der Förster. Holz ist schließlich auch ein nachhaltiger Energieträger und Baustoff.
Wir gehen weiter, folgen einer Biegung. Plötzlich zeigt der vorher dichte, dunkle und feuchte Laubwald ein ganz anderes Gesicht: Einige wenige kahle Stämme stehen noch, ansonsten gleicht die Fläche eher einer Lichtung als einem Wald. Mein Auge sucht vergebens nach grünen Stellen. Die entdecke ich erst, als ich den Blick Richtung Boden senke. Zwischen einigen Stämmen entfaltet sich neues Leben: Farne wachsen, kleine Bäume sind zu erkennen. Wir befinden uns an einer Stelle, an der die Förster neues ausprobieren. Das ist zwingend notwendig, denn die Klimaveränderungen haben dem Wald schwer zugesetzt.
Folgen der Klimaveränderungen

„Der Wald hält schon eine Menge aus. Doch man auch ehrlich bleiben: Sein Zustand hat sich weiter verschlechtert. Nur noch 30 Prozent unserer Bäume sind gesund, der Rest befindet sich in einem bedenklichen oder kritisch bedenklichen Zustand“, erläutert der Förster. Das belegt auch der jährliche Waldzustandsbericht. Die extremen Auswirkungen, die wir aktuell sehen, haben ihren Ursprung 2018. Der Wintersturm Friederike hat viele Schäden, vor allem bei den Fichten, verursacht.
Es folgten drei Jahre mit extremen Witterungsverhältnissen: In den Jahren 2018 bis 2020 war es viel zu warm und viel zu trocken. Die Kombination aus angeschlagenem Wald, geschwächten Fichten und den Witterungsextremen bietet natürlichen Schädlingen ideale Bedingungen. Der Borkenkäfer, vor allem die Arten Buchdrucker und Kupferstecher, konnten sich explosionsartig ausbreiten. Ein in NRW bislang einmaliges Phänomen. „Der Borkenkäfer frisst sich zwischen Rinde und Holz durch. Und genau das ist die sensibelste Stelle eines Baumes.“
„Wir setzen für die Zukunft noch stärker auf Mischwald“

Eine Pappel wird etwa 40 bis 50 Jahre alt, Nadelbäume bis zu 100 Jahre, Buchen bis zu 120 Jahre und Eichen bis zu 180 Jahre. „Wer im und mit dem Wald arbeitet, muss in sehr langen Zeiträumen denken“, erklärt Holger-Karsten Raguse. „Manche Flächen lassen wir weitgehend unberührt. Wir warten dann einfach ab, wie sich die Fläche entwickelt. In diesem Fall bleibt auch das Totholz im Wald, denn auch das ist ein wichtiger Lebensraum.“ Seiner Erfahrung nach passt das, was natürlich wächst auch am ehesten zu dem Standort. „Es sei denn, es setzt sich hauptsächlich die Fichte durch. Dann greifen wir doch ein.“ Flächen, auf denen vor allem viele Fichten abgestorben sind, forstet Raguse mit seinem Team aktiv wieder auf – vorrangig mit standortgerechten heimischen Laubhölzern, aber auch mit Lärche, Douglasie, Weiß- oder Küstentanne.
Typisch für die Region Ostwestfalen-Lippe sind Rotbuchen, Richtung Kreis Gütersloh kommen auch die Eichen ins Spiel. Die Förster*innen setzen Ahorn, Kirsche und Linde dazu. Die Kiefer eignet sich ergänzend an Standorten, die nicht so nährstoffreich sind. Außerdem passen Lärche und Douglasie. Auch Pappeln, Birken und Erlen seien für den Mischwald der Zukunft eine gute Wahl. „Je mehr Baumarten wir setzen, desto besser verteilen wir auch das Risiko. Das ist aktuell die Philosophie, mit der wir unsere Wälder hier bewirtschaften. Ob das der richtige Weg ist, werden erst die nächsten Generationen nach uns beurteilen können“, sagt Raguse. Inzwischen sind wir langsam wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Der Spaziergang war schön, interessant und künftig gehe ich mit einem anderen Blick durch den Wald.
Die Försterinnen und Förster nehmen Sie gern mit zu einer Führung durch den Wald. Alle Angebote, Termine und Veranstaltungen finden Sie im Netz bei Wald und Holz NRW.
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Bild Hr. Raguse: privat