Verrückter Rebound Effekt: Warum das mit dem Sparen oft nicht klappt

Um mit einem etwas krum­men Vergleich zu starten: Was halten Sie von einer Diät, mit der man zu­nimmt, statt Pfunde loszu­werden? So ähnlich ist es beim Rebound Effekt, auch Boomerang Effekt genannt: Man bemüht sich, den eigenen Energie­verbrauch zu verringern, steigert also die Energie­effizienz oder ändert sein Nutzer*innen­verhalten, doch am Ende fällt der Spar­erfolg magerer aus als erwartet. Man will Kosten sparen und der Umwelt einen Gefallen tun, doch der Effekt verpufft, teil­weise jedenfalls. Im ungüns­tigsten Fall kommt dabei sogar das Gegen­teil heraus. Wie ent­täuschend.

Wie kommt es zum Rebound Effekt?

Boomerang Unterhaltungs­elektronik

Fast 27 Prozent des häus­lichen Energie­verbrauchs entfallen heute bereits auf TV, Unter­haltungs- und Infor­mations­technik, mehr als 10 Prozent auf Licht und Beleuchtung – fast so viel wie für Waschen, Kochen, Kühlen und Spülen zusammen. Alles über die größten Strom­fresser im Haushalt erfahren Sie hier.

Große Smart-TV sind heute üblich

Ein klassisches Bei­spiel ist die Unter­haltungs­elektronik: Früher hat die ganze Familie Fernsehen im Wohn­zimmer geschaut, heute haben viele Haus­halte mehrere Geräte. Der Stand-by-Betrieb verbraucht wenig Energie, also bleibt das Gerät rund um die Uhr einge­schaltet. Starken Einfluss auf den Verbrauch hat die wachsende Bildschirm­diagonale: 32, 43, 55 Zoll und mehr. Mit dem Gerät läuft auch der Receiver fürs Streaming, Tablet und Smart­phone liegen griffbereit fürs Chatten und Surfen ... TV-Geräte der neuesten Genera­tion arbeiten spar­samer als alle Vorgänger, aber sie sind größer und laufen länger; laufen oft nebenbei mit. Doppelte Diagonale bedeutet vierfachen Verbrauch, oben­drauf kommen knackiger Sound und scharfer Kon­trast. Ergebnis: Nicht was das Daten­blatt verspricht, ergibt den tatsäch­lichen Verbrauch, sondern die veränderten Nutzungs­gewohn­heiten. Statt 100 Watt pro Stunde kommen in diesem Szenario locker 200 zusammen. Es wird mehr verbraucht als zuvor.  

CO2 Abdruck wächst mit modernem Lebensstil

Mit Rebound bezeichnen Experten diese Entwicklung: Das einzelne Gerät arbeitet vergleichs­weise effizienter, aber es wird größer und läuft länger, und es sind mehr Geräte da, die zudem inten­siver genutzt werden. Ein­sparungen beim Energie­verbrauch werden erwartet, in der Praxis jedoch nicht erreicht. Kosten sinken, aber geringer als erwartet, Ressour­cen werden geschont, doch in gerin­gerem Um­fang. Befra­gungen und Studien haben ergeben, dass 10 bis 20 Prozent, manch­mal sogar 50 Prozent weniger gespart werden.

Der VW Käfer war kleiner und leichter, als der VW Beetle
Man fährt mehr Auto, wenn der Verbrauch sinkt - die Kosten bleiben gleich
Weniger verbrauchen, mehr fahren - das ist der Rebound-Effekt

Rebound Effekt beim Autofahren?

Was beim Strom wenige Euro Unter­schied macht, summiert sich beim Auto­fahren leicht auf hunderte: Fahr­zeuge mit Ver­brennungs­motor wie der Ur-Käfer von VW wogen nicht einmal 800 Kilo­gramm, heute bringen seine Nachfahren 1.400 Kilo auf die Waage, leisten mit 120 Kilowatt fünfmal so viel, fahren doppelt so schnell, und weil's Spaß macht, oft längere Strecken. Das Er­gebnis heißt Rebound: Wenn der oder die Auto-Liebhaber*in an der Zapfsäule vorfährt, zahlt sie oder er für den Sprit­verbrauch zwar weniger als beim Vor­gänger­modell, spart aber bedeutend weniger als theoretisch vorstellbar. Auf 40 bis 70 Prozent schätzt die Beratungs­gesellschaft co2online den Rebound Effekt im Individual­verkehr. Von „Backfire“ sprechen Exper­tinnen und Experten, wenn der Effizienz­gewinn nur auf dem Papier steht und in der Praxis voll­ständig aufge­zehrt wird.

Verpasster Umweltschutz: Hier gespart, dort verbraucht

Beispiel Heizen mit erneuer­baren Energien

Beim Heizen kommen zwar vermehrt erneuer­bare Energien zum Einsatz – aber die Wohn­fläche hat sich vergrößert, die Komfort­ansprüche liegen höher. Wer „auf Kipp“ lüftet, keine programmier­baren Thermostat­ventile nutzt und rund um die Uhr „Wohlfühl-Tempera­tur“ möchte, spart daher viel weniger als gedacht. Auf 10 bis 30 Prozent beziffert das Umwelt­bundes­amt das unge­nutzte Spar­potenzial, also den Rebound Effekt.

 

Nachhaltig geheizt und ernährt - dann darf ich doch weit fliegen, oder?

Befragungen bestät­igen: Wer umwelt­freundlich heizt, glaubt, er oder sie müsse an anderer Stelle nicht knausern. Wer sein Haus saniert hat, grünen Strom oder Photo­voltaik nutzt, darf auch mal wieder mit gutem Gewissen fliegen. Darf er oder sie? Das ist es, was man als indirekten Rebound Effekt bezeichnet: Ersparte Kosten und ein niedrigerer Ressourcen­verbrauch setzen Kaufkraft an anderer Stelle frei, die beispiels­weise für eine Flug­reise oder andere Konsum­güter genutzt wird. Ein effizien­teres Produkt oder eine Dienst­leistung stimulieren Konsum oder Nachfrage auf anderen Gebieten. Öko­nomen sprechen darüber hinaus von einem syste­mischen Rebound Effekt: Produkte wie der Fernseher werden günstiger produziert und deswegen häufiger konsumiert; Straßen werden breiter und ziehen mehr Ver­kehr an, eine Fern­reise kostet nicht die Welt, verglichen mit Antalya oder Ibiza. Dieser Effekt reicht noch weiter: Wird Energie spar­samer verwendet, senkt das den Preis, zu dem sie ange­boten wird. Das lässt die Gesamt­nachfrage wieder steigen.

Erster Schritt: CO2 Abdruck berechnen

Die Wissen­schaft sagt, die Erfahrung lehrt: Wer seinen Verbrauch kennt, wer weiß, wie sein CO2-Fußabdruck zu­stande kommt, also für Energie­kosten und Umwelt­auswirkungen sensibi­lisiert ist, konsumiert bewusster und weniger, jedenfalls nach­haltiger. Ein nach­haltiger Lebens­stil definiert sich nicht über Konsum, Geräte und Energie­verbrauch. Das kann bei Reisen und Mobili­tät beginnen, umfasst auch Wohnen und Ernäh­rung. Meine CO2-Emissionen für den Lang­strecken­flug nach Bali oder den Algarve-Urlaub mit dem Camper-Van kann ich kompen­sieren, ange­fallen sind sie trotzdem.

Jeder sollte seinen ökologischen Fußabdruck kennen

„Öko”-Lebensstil verhindert Rebound Effekt nicht

Meine Photo­voltaik-Anlage produ­ziert grünen Strom, aber muss der finan­ziell besonders lohnende Eigen­verbrauch deshalb zwangs­läufig steigen? Den schönen Winter­garten nutzen wir gern, aber versie­gelte Flächen und „graue“ Energie in den Bau­stoffen bringt auch Öko­strom nie mehr zurück. Der euro­päische Emissions­rechte-Handel ebenso wie die frei­willige CO2-Kompen­sation (als privater Akt des guten Willens) sind Ver­suche, wirt­schaftl­iche Mecha­nismen und An­reize für ein klima­freundlicheres Ver­halten zu schaffen. Den Re­bound können sie ver­ringern, ganz stoppen kaum.

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