Pilze & Löwenzahn:
Neue nachhaltige Materialien

Sneaker aus Pilz­leder, Reifen aus Löwen­zahn­saft, Recyc­ling-Dämm­stoffe aus der Sprüh­flasche – ist das noch Spinnerei oder schon Wirklich­keit? Beides, denn all diese Inno­vationen aus dem Forschungs­labor sind schon weit gediehen, aber immer noch nicht ganz reif für den Massen­markt. Ihr besonderes Marken­zeichen: Sie alle sind aus neuen nach­haltigen Materialien gefertigt, die biolo­gisch abbau­bar sind oder sich zumindest einfach recyceln lassen. Immer mehr dieser Material­varianten werden uns hoffentlich bald in unserem Alltag begegnen. Denn wir brauchen genau solche Ausweich­lösungen zu Kunst­stoffen aus Öl, Kaut­schuk aus den Tropen oder Leder aus Tierhäuten, um den Raub­bau an der Natur zu beenden.

Nachhaltige Materialien: Mode aus Champignons

Champignons sind genügsam

Statt auf der Pizza, im Omelett oder in der Jäger­sauce könnten Champignons uns bald auch immer häufiger in der Kleidung und an den Füßen begegnen. Denn: Pilze haben Potenzial für die Mode, das haben Forschende der TU Wien entdeckt. Den Chemikern Alexander Bismarck und Mitchel Jones gelang es, aus den Champignons einen nicht-tierischen nachhaltigen Leder­ersatz herzustellen – Pilz­leder sozusagen. Jeder, der schon mal Champignons im Keller gezüchtet hat weiß: Die Pilze sind ziem­lich genüg­sam. Sie wachsen zum Beispiel auch auf Säge­mehl und anderen forst­wirtschaftlichen Abfällen, benötigten kaum Wasser und kein Licht.

Auch Adidas bietet Sneaker aus Pilzleder

Die Wiener Forscher*innen waren jedoch nicht auf den essbaren Frucht­körper aus, sondern auf die feinen Pilz­fäden, die unter der Erde wachsen. Deren Weiter­verarbeitung zu Pilz­leder lässt sich mit der Produk­tion von Papier vergleichen. Das Ergebnis ist dem tierischen Produkt nicht nur äußerlich ähnlich, es hat auch ähnliche Material­eigenschaften hinsichtlich Haptik und der Reiß­festigkeit. Das Beste ist: Alles an Pilz­leder ist komplett natürlich, klima­neutral produziert und biologisch abbau­bar.

 

Schuhe aus Pilzleder

Einige Her­steller machen bereits Kleider und Schuhe daraus, zum Beispiel die britische Mode­designerin Stella McCartney, und auch Adidas präsen­tierte 2021 den ersten Sneaker aus inno­vativem Pilz­material.

Autoreifen aus Naturmaterialien stehen vor der Tür
Naturkautschuk
Löwenzahn

Pneus ohne Natur­kautschuk aus den Tropen

Naturkautschuk, das klingt zwar ökologisch, doch geerntet wird der nachwachsende Rohstoff auf gigantischen Plantagen in Süd- und Südostasien. Meist zulasten des tropischen Regenwalds, wo der Kautschukspender, der Gummibaum, ausschließlich wächst. Forschende am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) haben mit Expert*innen des Pneu-Herstellers Continental einen alternativen Rohstofflieferanten gefunden: zentralasiatischer Löwenzahn. Diese Art produziert neben dem Gummibaum als einzige Naturkautschuk. Der Unterschied: Der milchige Saft fließt nicht unter der Rinde, sondern in der Wurzel. Ein Vorteil der Pflanze: Sie gedeiht auch auf kargen Böden. Die Entdeckung des Öko-Rohstoffs aus dem Löwenzahn an sich ist nicht neu. Allerdings ließ der sich bislang nicht landwirtschaftlich anbauen. Genau dafür fand das IME-Forschungsteam eine Lösung. Schon 2019 brachte Continental einen Fahrradreifen mit einem Laufstreifen aus Löwenzahn-Naturkautschuk zur Marktreife. Weitere Pneus sollen folgen. Die Innovation wurde 2021 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. 

Micro-Glasperlen als Dämmmaterial
Dämmputz aus alternativem Material
Altglas sinnvoll nutzen

Ökologische Fassadendämmung im Altbau mit Mikro-Glas

Seinen Altbau zu dämmen – das ist vor dem Hinter­grund des Klima­wandels und hoher Heiz­energie­preise schon mal eine vernünftige Idee. Öko­logisch noch sinn­voller ist es, Dämm­stoffe einzu­setzen, die recycling­fähig oder selbst aus recyceltem Material herge­stellt sind. Dazu muss man wissen: Konven­tionelle Dämm­materialien bestehen meist aus auf­geschäumtem Kunst­stoff, und der wird auf Basis von fossilem Erdöl herge­stellt. Recycel­bar sind diese Dämm­platten in der Regel auch nicht. Wissen­schaftler*innen der Uni­versität Bayreuth haben jetzt mit den süd­deutschen Her­steller­firmen „Franken Maxit Mauermörtel“ und „Dyneon“ einen nach­haltigen Dämm­stoff entwickelt. Er besteht aus mikros­kopisch kleinen Glas­kugeln, die luft­gefüllt sind. In Verbindung mit einem minera­lischen zement­ähnlichen Kleber entsteht daraus ein inno­vativer Dämm­putz, der einfach auf die Fassade aufge­sprüht wird.

Ökologisch nachhaltiger Dämmstoff und Robotereinsatz

Die leicht zu verarbei­tende Alternativ­dämmung besitzt noch weitere Vorzüge, denn sie gilt als nicht brenn­bar und lässt sich einfach recyceln. Mehr noch: Die Forscher*innen wollen die Mikro-Glas­kügelchen künftig aus Alt­glas recyclen. Das wäre dann ganz im Sinne einer ökologisch nach­haltigen Kreislauf­wirtschaft. Parallel zur Forschung wurden Tests gestartet, bei denen Roboter den neuartigen Dämm­stoff auf die Fassade auf­sprühen.

So schützen wir unsere Welt

Die tatkräftige Hilfe künstlicher Intelli­genz würde den Verputzern die Arbeit sehr erleich­tern und könnte den Beruf in Zeiten des Fach­kräfte­mangels wieder attraktiver machen. Das bayerische Forschungs­team war deshalb bereits 2020 für den Deutschen Zukunfts­preis nominiert.  

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