Neue Lieferanten füllen Deutschlands Erdgasspeicher

Viel mehr als eiskalt ist das flüssige Erdgas aus den USA, Australien, Nigeria oder Katar, das in riesigen Tank­schiffen nach Europa kommt. Denn Erdgas verflüssigt bei Tempera­turen von weniger als minus 162 Grad. Dabei verringert sich auch sein Volumen um den Faktor 600. Zur Veran­schaulichung: Der Inhalt von einem Dutzend 50-Liter-Fässern mit Pils schrumpft so auf den von zwei Halbliter-Dosen zusammen.

Was genau ist eigentlich LNG?

LNG ist die Abkürzung für Liquified Natural Gas, also verflüssigtes Erdgas. Es besteht zu 98 Prozent aus Methan und ist daher nicht zu verwechseln mit LPG (Liquified Petroleum Gas oder Autogas), das überwiegend aus Butan oder Propan besteht. Riesige Schiffe transpor­tieren das LNG in kugelförmigen Tanks über die Ozeane. Etwa 120.000 bis 145.000 Kubik­meter nimmt so ein Riesen­tanker auf. In Zukunft sollen vermehrt Schiffe gebaut werden, die 250.000 Kubik­meter fassen – da genügt eine Ladung, um eine Millionen­stadt bis zu einem Jahr lang mit Gas zu versorgen. Am Ziel angekommen wird das flüssige Erdgas durch Erwärmung „regasifiziert“ und in das Erdgas-Fern­leitungs­netz eingeleitet. Die Verflüssigung beim Einschiffen, der Transport und die Rück­verwandlung verschlingen allerdings Energie. Bereits vor dem Ukraine-Krieg kostete LNG deshalb rund 30 Prozent mehr als Pipeline-Gas.  

Warum schwimmende LNG-Terminals?

Das erste Terminal in nieder­sächsisches Wilhelms­haven wurde in weniger als 200 Tagen fertig­gestellt und ging im Dezember 2022 in den Probe­betrieb. Hier wird das Terminal­schiff „Höegh Esperanza“ als FSRU genutzt. Seit Mitte Januar 2023 liefert es täglich Flüssig­erdgas mit einer Kapazität von etwa 155 Gigawatt­stunden via Pipeline an den Gas­speicher Etzel in Ostfriesland.

Im Unterschied zu den meisten EU-Küsten­staaten hatte Deutschland bis vor Kurzem noch gar keine Import­terminals für Flüssig­erdgas. Doch mit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich die Lage schlag­artig geändert. Zu dem Zeit­punkt wurden noch 55 Prozent des deutschen Bedarfs mit Pipeline­gas aus Russ­land gedeckt – eine Abhängig­keit, welche die Politik zum sofortigen Handeln zwang. Um möglichst schnell eine LNG-Infra­struktur aufzu­bauen, setzt die Bundes­regierung auf schwimmende Terminals mit sogenannten „Floating Storage and Regasi­fication Units“ (kurz: „Floating Units“ oder FSRU). Das sind spezielle Charter­schiffe, die das Flüssig­erdgas der Tanker aufnehmen, speichern und regasi­fizieren können.

Wo werden die LNG-Terminals in Deutschland errichtet?

Mit schwimmenden LNG-Terminals soll die Erdgas-Versorgung schnellst­möglich von russischen auf andere Liefer­quellen umgestellt werden. Fünf solcher Charter-Schiffe (FSRU) hat sich die Bundes­regierung nach eigener Angabe gesichert. Neben dem bereits im Einsatz befindlichen Terminal in Wilhelms­haven (ein zweites soll dort Ende 2023 entstehen) sowie der durch ein privates Konsortium betriebenen Floating Unit in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) sind zwei weitere in Bruns­büttel und in Stade geplant. Ab Winter 2023/2024 soll bereits bis zu einem Drittel des deutschen Erdgas­bedarfs mit den schwimmenden LNG-Terminals gedeckt werden. Ende Februar wurde bekannt, dass auch vor der Ostsee­insel Rügen ein LNG-Terminal mit zwei Platt­formen entstehen soll. Der Bau­beginn ist für Mai geplant. Im „LNG-Beschleu­nigungs­gesetz“ ist bislang jedoch noch keine Möglichkeit vorgesehen, Offshore-Terminals vor Rügens Küste zu errichten. 

Pipelines und Erdgasspeicher weiterhin wichtig

Deutschland wird in naher Zukunft noch sehr viel Gas brauchen – und Pipeline­gas daher wichtiger Baustein unserer Gas­versorgung bleiben. Die Importeure führen jetzt vermehrt Erdgas über Rohr­leitungen aus Norwegen, den Nieder­landen und Belgien ein. Ein kleinerer Anteil kommt zudem aus heimischen Gas­quellen. Dank dieser Importe sowie der Sparsam­keit von Haushalten und Wirtschaft waren die deutschen Erdgas­speicher bereits im November 2022 zu 100 Prozent gefüllt – trotz des russischen Liefer­stopps. Zum meteoro­logischen Frühlings­beginn 2023 wurden immer noch Füll­stände von knapp 70 Prozent gemessen.

Deutschland besitzt die größten Lager­kapazitäten in Europa. In den 47 Erdgas­speichern können unter Tage 24 Milliarden Kubik­meter gelagert werden. Diese Reserven gleichen die tages- und jahres­zeitlichen Schwankungen beim Gas­verbrauch aus und bilden zugleich einen preis­dämpfenden Puffer für den Markt. Der Import von Flüssig­erdgas wird die Versorgungs­sicherheit in Deutschland noch einmal deutlich verbessern.

Diversifizierung: Schlüssel zur Energiesicherheit

Der russische Angriffs­krieg gegen die Ukraine hat verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Energie­versorgung breiter aufzustellen, um sich nicht von einzelnen Liefer­ländern abhängig und damit erpress­bar zu machen. LNG-Importe sind eine – wenn auch vergleichs­weise kosten­intensive – Möglichkeit, mit mehr Lieferanten in verschiedenen Ländern zu kooperieren, um das Risiko von Liefer­ausfällen für die deutsche Gas­wirtschaft zu streuen. Denn Flüssig­erdgas kann weltweit trans­portiert werden und ermöglicht so den Handel mit inter­nationalen Partnern, die via Pipeline kein Gas nach Deutschland schicken können.

Feste LNG-Terminals sollen „Green Gas Ready“ sein

Von 2025/2026 an sollen drei feste LNG-Häfen an Land in Wilhelmshaven, Stade (beide Niedersachsen) und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) die Floating Units ablösen. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen diese zudem schon „Green Gas Ready“ sein. Das heißt, dass dort anstelle von fossilem Erdgas zukünftig auch grüner Wasserstoff sowie andere erneuerbare Gase anlanden könnten. Dazu wären allerdings erhebliche technische Anpassungen nötig, so das Fazit einer Studie des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe. Die spätere Umrüstung von Teilen der Flüssigerdgas-Terminals sei zwar möglich, aber nur, wenn diese Option schon bei der Planung mitberücksichtigt würde.

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