Frau Konold, unter Ihrer Leitung hat die GELSENWASSER AG 2021 ein eigenes Wasserstoff-Projekt gestartet. Worum geht es dabei?
Wasserstoff wird im Energiesystem der Zukunft eine wichtige Rolle spielen, davon sind wir bei Gelsenwasser überzeugt. Und zwar nicht ausschließlich in den Bereichen Industrie und Verkehr, wie oftmals zu hören ist, sondern auch im Wärmemarkt. Zukünftig sollte Wasserstoff darum auch vor Ort in geeigneten Heizgeräten (zum Beispiel Brennstoffzellenheizungen) eingesetzt werden. Um diesen dezentralen Einsatz zu ermöglichen, müssen wir die Gasnetze der GELSENWASSER Energienetze GmbH (GWN) für Wasserstoff fit machen. Denn nur dann kommt der Energieträger auch in den einzelnen Betrieben und Haushalten an.
Was macht Wasserstoff als Energieträger dabei so interessant?
Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas, das in vielerlei Hinsicht Erdgas ähnelt. Es hat aber einen entscheidenden ökologischen Vorteil: Wenn Wasserstoff verbrennt, entsteht kein CO2, sondern lediglich Wasserdampf. Weiterer Pluspunkt: Wir können ihn recht effizient aus (erneuerbarem) Strom erzeugen. Und im Gegensatz zu Strom lässt sich Wasserstoff gut und in großen Mengen speichern. Das ist besonders wichtig, je mehr Energie wir aus Sonne und Wind gewinnen. Hinzu kommt noch, dass sich die Verbrennungs- und Transporteigenschaften von Erdgas und Wasserstoff ähneln. Das bedeutet, dass wir die vorhandenen Netze nutzen können. Um dies zu erproben, haben wir in unserer Betriebsstelle Linnich ein entsprechendes Projekt initiiert.
Ausspeisepunkte
sind die Stellen im Verteilnetz, an denen Gas entnommen wird. Das können private Haushalte, aber auch Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen sein.
Im Zentrum Ihres Projekts steht also zunächst der Transport von Wasserstoff zu den sogenannten Ausspeisepunkten?
Ja genau. Denn wir müssen sicherstellen, dass die Versorgung der Endkunden mit Wasserstoff genauso gut funktioniert wie mit Erdgas oder Strom. Und dabei spielt das Verteilnetz eine wesentliche Rolle, denn die bestehenden Netze könnten zukünftig den Wasserstoff zu den Ausspeisepunkten transportieren. Nur, wo Netze miteinander verbunden oder alte Leitungen ersetzt werden müssen, wären zusätzliche Neubauten erforderlich.
Noch gibt es keine Regelwerke dafür, Wasserstoff durch die vorhandenen Verteilnetze zu transportieren. Ist trotzdem alles sicher?
Die Regeln dafür, wie wir Gasnetze, -anlagen und -geräte sicher und effizient auf 100% Wasserstoff umstellen, erarbeiten derzeit der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches und der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband. Bis zur Fertigstellung haben wir zur Absicherung unseres Projekts den TÜV Süd als kompetenten Partner in Fragen der Arbeits- und Betriebssicherheit ins Boot geholt. Außerdem bereiten wir uns selbst über Weiterbildungen und Schulungen bestmöglich auf den Betrieb eines Wasserstoffnetzes vor.
GWN nimmt auf dem Betriebsgelände in Linnich bald eine Teststrecke in Betrieb. Erzählen Sie doch mal, was konkret passiert.
Die in der Betriebsstelle Linnich vorhandene rund 130 Meter lange Erdgasleitung wird bis Jahresmitte komplett auf Wasserstoff umgestellt. Dafür bauen wir ein Wasserstoff-Flaschenlager auf und speisen den Energieträger dann in die Versorgungsleitung ein. Anstelle mit Erdgas werden die angeschlossenen Ausspeisepunkte (ein Betriebsgebäude und eine Lagerhalle) letztlich über Wasserstoff mit Wärme versorgt. Vorab ist eine externe technische Prüfung des bestehenden Netzes erforderlich. Auch die Heizgeräte müssen ausgetauscht werden.



Wird die Umstellung der Gasverteilnetze auf Wasserstoff dazu beitragen, das klimaneutrale Heizen für Normalverbraucher*innen bezahlbar zu machen?
Wasserstoff ist derzeit noch recht teuer, weil er noch nicht in allzu großen Mengen verfügbar ist. Die Bereitstellung und Nutzung von Wasserstoff werden jedoch sowohl international als auch national vielfältig unterstützt; wir können also mit sinkenden Kosten für diesen Energieträger rechnen. Und natürlich brauchen wir auch für den Einsatz bei den Endverbraucher*innen Förderprogramme, wie es sie heute bereits für den Erwerb und Einbau von Wärmepumpen gibt. Grundsätzlich wird aber das klimaneutrale Heizen künftig nur dann bezahlbar sein, wenn die bestehenden Gas- und Stromverteilnetze dabei eine Rolle spielen. Denn andernfalls müsste ein kostspieliger Netzausbau mitfinanziert werden.
Wie geht das Projekt weiter?
Sobald die Heizperiode vorbei ist, beginnen wir bei unserem Projekt in Linnich mit der Umsetzung. Parallel dazu entwickeln wir für unsere Endkunden derzeit ein Produkt, das den Einsatz von Brennstoffzellenheizungen erleichtert. Ein erster Testlauf ist für den Sommer 2022 geplant.
Vielen Dank für das Gespräch!
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GELSENWASSER AG